Postnachsendung ermöglicht Stalking per Tracker

Fabian Stadler
5 min readFeb 15, 2024

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Mit einem Tracker, wie dem Apple AirTag, lassen sich nicht nur Objekte wiederfinden, Bildquelle: Apple

Vor einiger Zeit, sorgte das Apple AirTag für Schlagzeilen. Unter anderem, weil es eine kostengünstige Möglichkeit bietet, wertvolle Gegenstände oder Gepäckstücke zu überwachen, aber auch, weil es gelegentlich zum Stalking von Frauen eingesetzt wurde.

Doch vor Kurzem bin ich über einen Tweet gestolpert, der ein Szenario beschreibt, das zwar nicht abwegig, aber doch überraschend ist. Denn wer dachte, eine Nachsendung bei der Post sei vertraulich, wird mit diesem Artikel eines Besseren belehrt.

Nachsendungen als bislang unbekanntes Schlupfloch

Der IT-Forensiker Brett Shavers schrieb vergangene Woche in einem Tweet, dass er einen Fall begutachtet habe, in dem ein Opfer häuslicher Gewalt durch den Einsatz eines Trackers ausfindig gemacht wurde.

Ein Tatverdächtiger schickte ein Paket an die alte Adresse einer umgezogenen Frau, woraufhin das Paket mit einem Apple AirTag an die vermeintlich sichere neue Adresse nachgesendet wurde. So wurde die neue Adresse bekannt.

Brett Shavers teilt auf seinem Twitter-Account einen verblüffenden Einblick in seinen Arbeitsalltag, Bildquelle: Twitter

Tracking ist nicht per se illegal

In seinem Tweet warnt Brett explizit Opfer häuslicher Gewalt. Eine Recherche meinerseits zu dieser konkreten Einsatzart führte im deutschsprachigen Raum zu keinen nennenswerten Ergebnissen. Eine relativ unbekannte Methode, wie mir scheint.

Nun würde man glauben, allein die Anwendung eines AirTags für Stalking sei illegal. Laut eines Artikels von Heise und Recherchen meinerseits, die bis in die neuere Vergangenheit reichen, gibt es aber wohl eine Gesetzeslücke.

So sei die bloße Feststellung des Aufenthaltsorts des Opfers rechtmäßig, sofern keine weitere Handlung, wie z. B. das Aufsuchen der Wohnung, erfolgt, wenn man sich § 238 StGB genauer ansieht. Aus datenschutzrechtlicher Sicht könnte man sich auch auf persönliche oder familiäre Tätigkeiten berufen, die nicht unter die DSGVO fallen.

Inzwischen hat Apple zwar nachgebessert: Unter anderem gibt der Apple AirTag nun ein akustisches Signal ab, wenn er zu lange von seinem Besitzer getrennt ist. Doch lässt sich der Lautsprecher leicht deaktivieren.

Stalking per Nachsendung auch in Deutschland

Trotz Option “ohne Umzugsmitteilung” riskiert man aufgrund unerwünschter Tracker, die eigene Adresse herauszugeben., Bildquelle: DHL

Nun hat sich der obige Fall in den USA zugetragen, wäre aber aus meiner Sicht auch in Deutschland möglich. Daher habe ich eine Presseanfrage an DHL als größten Postdienstleister in Deutschland gestellt, um weitere Informationen zu erhalten.

Zunächst fragte ich, ob ein solcher Fall auch über den Nachsendeservice von DHL denkbar wäre. Eine direkte Antwort erhielt ich nicht. Vielleicht war die Frage zu allgemein gehalten oder man wollte sich nicht in die Karten schauen lassen.

Allerdings wurde mir die Folgefrage beantwortet, ob es seitens DHL Maßnahmen gibt, um einen möglichen Trackingversuch zu unterbinden. Und da hat mich die Antwort doch etwas überrascht, obwohl man leicht darauf kommen könnte.

Als Postdienstleister ist es uns aufgrund des Postgeheimnisses verboten, uns Kenntnis vom Inhalt von Sendungen zu verschaffen, d.h. wir führen grundsätzlich keine Inhaltskontrollen durch, weder bei Briefen noch bei Paketen.

DHL argumentiert, das Postgeheimnis verbiete es dem Unternehmen, den Inhalt der Sendungen zu überprüfen. Dies beträfe nicht nur das Öffnen, sondern auch technische Kontrollen, um z.B. einen Tracker aufzuspüren.

Ausnahmen lösen das Problem nicht

Weiter heißt es in der Antwort, dass es aber Ausnahmen gäbe.

Ausnahmen für das Öffnen von Sendungen bilden beispielsweise die Nachbearbeitung von Sendungen, die während des Transportwegs beschädigt wurden, sowie die Inhaltsprüfung bei sogenannten “unanbringbaren” Sendungen durch unsere Brief- bzw. Paketermittlungsstelle zur Feststellung des Absenders oder Empfängers. Unanbringbare Sendungen sind solche, die z.B. aufgrund fehlender oder nicht lesbarer Adresslabel nicht beim Empfänger zugestellt und auch nicht an den Absender zurückgeschickt werden können.

Diese sind jedoch meines Erachtens nach nicht geeignet, um einen Tracker vor der Zustellung bei einer Nachsendung zu entdecken. Allenfalls würde ein Tracker zufällig entdeckt und dem Täter wieder zurückgeschickt.

Packstation oder Postscan als Alternative?

Mit Postscan bietet DHL an, Briefe digitalisiert zu erhalten, Bildquelle: DHL

Keine guten Nachrichten also für Nachsender, die ihre Adresse garantiert geheim halten wollen. Ein Nachsendeauftrag ist aber je nach Situation notwendig, wenn man seine Adresse nicht überall rechtzeitig ändern kann. Wie kann man sich also anders schützen?

Zuerst dachte ich, das Problem wäre gelöst, wenn man die Post an eine Packstation schicken würde. Dann könnte man zumindest bei der Abholung den entsprechenden Tracker finden und entsorgen. In diesem Fall wäre es aber immer noch möglich, dem Opfer aufzulauern und, wenn sich die Packstation in der Nähe des Wohnortes befindet, die Postleitzahl zu ermitteln.

Dann gibt es noch Dienste wie Postscan, die von DHL angeboten werden, also ein Service, bei dem die Post zu einem Dienstleister geht und digitalisiert wird. Da mir das als eine Möglichkeit erschien, mit dem Problem umzugehen, wollte ich in meiner Anfrage wissen, ob dieser Service mit dem Nachsende-Service kombiniert werden kann und wenn ja, wie mit den Paketen verfahren wird. Diese Frage wurde von DHL leider verneint.

Postscan und Nachsendeservice sind nicht kompatibel an derselben Anschrift. Eine Digitalisierung von Paketen ist nicht möglich.

Virtual Office und Vertrauenspersonen schaffen Abhilfe

Zumindest ist es aber möglich, die Post an eine Vertrauensperson weiterzuleiten, die sie vor der Zustellung kontrollieren kann. Dabei ist zu beachten, dass der Täter dann die Adresse dieser Person herausfinden kann und sie dadurch in Gefahr geraten kann. Alternativ kann hierbei vielleicht auch ein Verein oder eine Hilfseinrichtung helfen.

Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, die Post an ein sogenanntes Virtual Office weiterzuleiten. Dabei handelt es sich um einen Service, bei dem ähnlich wie bei Postscan eine Adresse u.a. in deutschen Großstädten gemietet werden kann, der aber auch mit dem Nachsende-Service kombiniert wäre.

Vor der Buchung sollte man sich jedoch erkundigen, ob es auch möglich ist, Pakete vor der Weiterleitung auf Tracker prüfen zu lassen. Alternativ kann man sie auch ablehnen. Einfach aus dem Grund, dass eine Paketweiterleitung selten vorkommt. Ein Virtual Office nur mit Postbearbeitung gibt es ab ca. 50 € im Monat. Kein Schnäppchen, aber für einen kurzen Zeitraum durchaus tragbar.

Fazit

Auch wenn Postdienstleister den Service anbieten, bei Nachsendungen die neue Adresse zu verschleiern, schützt dies nicht vor ungewollten Tracking-Versuchen durch Apple AirTags oder andere Ortungsgeräte. Denn ist der Tracker erst einmal unterwegs, wird er frühstens dann erkannt, wenn er sein Ziel erreicht hat.

Abhilfe kann durch eine familiäre oder ehrenamtliche Vertrauensperson geschaffen werden, die Pakete annimmt, oder durch die Nutzung von Diensten wie Virtual Offices. Im Zweifelsfall sollte geprüft werden, ob Nachsendungen wirklich notwendig sind.

Zudem empfehle ich generell, sich an eine örtliche Beratungsstelle zu wenden, wenn man von Gewalt bedroht ist. Sicherlich findet man dort auch Antworten auf Fragen zu Stalking. Hierzu verweise ich auch auf eine Hilfeseite des BMFSFJ.

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Fabian Stadler
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